Vera Brandes

Film-Kritiken

Köln75 kommt in Frankreich am 25. Juni unter dem Titel „Im Rhythmus von Vera: Die Hintergründe eines legendären Konzerts“ in die Kinos. In La 7e bobine erschien soeben die erste Filmkritik:
Ido Fluk webt mit Au rythme de Vera (Im Rhythmus von Vera) eine Spiegel-Erzählung, in der sich zwei Formen der Entschlossenheit kreuzen: die eines Musikers auf der Suche nach Erlösung angesichts des Schmerzes – und die einer jungen Produzentin, die bereit ist, die Konventionen einer im Wesentlichen männlich geprägten Branche herauszufordern.
 
Bereits in den ersten Sequenzen etabliert der Regisseur einen visuellen Dialog zwischen dem geschlossenen, kalten Universum Berlins, in dem sich Vera Brandes bewegt, und der nächtlichen Irrfahrt von Keith Jarrett, jenem Pianisten, der in seinem eigenen Körper gefangen ist. Diese Gegenüberstellung erzeugt eine konstante Spannung: Auf der einen Seite die erstickende Wärme familiärer und gesellschaftlicher Erwartungen, die auf Vera lasten; auf der anderen Seite die Kälte einer künstlerischen Einsamkeit, in der Jarrett kämpft, um seiner Kunst trotz des Schmerzes Ausdruck zu verleihen.
 
Im Zentrum dieser zweiteiligen Erzählung verkörpern Vera und Jarrett zwei Seiten desselben Kampfes: den um Authentizität. Fluk vermeidet ein hagiografisches Porträt, indem er beiden Figuren auch Schattenseiten zugesteht: Vera, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Freiheit und der Last einer väterlichen Autorität, die ihr nicht erlaubt, ihren Platz einzunehmen; Jarrett, schwankend zwischen kreativer Ekstase und körperlichem Zusammenbruch – als koste ihn jede Note einen Teil seiner Existenz. Die Kamera, oft unbewegt, verweilt auf sprechenden Details: das grelle Licht, das durch die Fensterläden von Veras Familienwohnung dringt; Jarretts zitternde Hände auf den Klaviertasten; oder das nächtliche Spiegelbild Berlins auf der Wasseroberfläche – als Symbol für die feine Grenze zwischen Hoffnung und Ernüchterung.
 
Mala Emde verleiht Vera Brandes diese innere Zerrissenheit: stark und verletzlich zugleich, bereit, alles zu riskieren, um ihre Vision eines legendären Konzerts hörbar zu machen – und sich doch bewusst, dass sie sich erst von den männlichen Blicken befreien muss, die sie ständig bewerten. In ihrem Spiel spürt man die unterdrückte Wut unter jedem gesprochenen Wort, die flammende Entschlossenheit in jedem ihrer Schritte. John Magaro hingegen spielt einen mehr nach innen gerichteten Jarrett: sein Schweigen, seine verlorenen Blicke zwischen zwei Takes spiegeln den inneren Zwiespalt eines Mannes wider, dessen Körper den kreativen Geist verrät. Die Szenen, in denen er unter Schmerzen probt, stehen in scharfem Kontrast zu den Momenten, in denen sein Klavierspiel fast mystische Höhen erreicht – diese ständige Bewegung zwischen Ekstase und Absturz macht sein Porträt so ergreifend.
 
Der Schnitt des Films, der zwischen langen Einstellungen und beschleunigten Sequenzen wechselt, verstärkt die Idee, dass Musik wie ein Lebensmotor wirkt: Als Vera sich dazu entschließt, das Konzert zu produzieren, öffnet sich die Kamera allmählich – von beklemmenden Nahaufnahmen hin zu weiteren Einstellungen, die ihren Wunsch nach Befreiung von Begrenzungen visualisieren. Umgekehrt sind Jarretts Szenen oft in der Nacht und an isolierten Orten gedreht – eine visuelle Darstellung seines inneren Rückzugs. Gegenlicht spielt eine zentrale Rolle: das grelle Licht auf Vera erinnert ständig an die Unterdrückung, der sie ausgesetzt ist, während die Hell-Dunkel-Kontraste um Jarrett seine unsichtbare Auseinandersetzung mit dem Schmerz verkörpern.
 
Mehr als ein einfaches musikalisches Biopic hinterfragt Au rythme de Vera die Frage nach Macht: Wer darf Exzellenz erreichen? Wer hat das Recht, eine Geschichte zu erzählen? Indem Fluk Vera und Jarrett auf derselben dramaturgischen Ebene platziert, zeigt er, dass – ob musikalisch oder sozial – der Weg zur Exzellenz auf ähnlichen Opfern beruht. Veras Vater, eine unerbittliche Autoritätsfigur, verkörpert das Gegenteil dieses Ideals: Er will sie zum Schweigen bringen, ihre Ambitionen auf eine Nebenrolle reduzieren. Jarrett erlebt denselben Widerstand – doch es ist sein Körper, der sich ihm widersetzt. In beiden Fällen wird Musik zur Waffe und zum Zufluchtsort: Waffe gegen Unterdrückung, Zuflucht vor dem Schmerz.
 
Die Schlusssequenz, in der Vera dem Konzert beiwohnt, das Jarrett nach ihrer erfolgreichen Produktion gibt, ist ein emotionaler Höhepunkt. Während das Publikum den Atem anhält, verweilt die Kamera auf Veras Gesicht, das von Bewunderung, Stolz und Befreiung durchzogen wird. Jarrett hingegen wirkt für einen Moment von seinen Qualen erlöst – jede Note klingt wie ein Sieg über den Schmerz. Diese symbolische Konvergenz unterstreicht die Kraft eines Erzählens, das zwischen den Zeilen weibliche Emanzipation und die letzte künstlerische Erlösung feiert.
 
Am Ende gelingt Ido Fluk ein Film, dessen erzählerische Schlichtheit von einer gewaltigen emotionalen Kraft getragen wird. Indem er zwei Lebenswege gegenüberstellt, die alles trennt außer dem Willen, Grenzen zu überwinden, schafft er ein universelles Porträt – jenes von Menschen, die es wagen, die Dämme zu brechen, sei es im Kampf gegen Schmerz, Autorität oder gesellschaftliche Rollenbilder. Au rythme de Vera erinnert uns daran, dass Musik – über alle Noten hinaus – ein Ruf nach Freiheit ist: die Freiheit, zu erschaffen, zu träumen und sich in einer Welt zu behaupten, die oft nicht zuhören will.
 
In Veras Rhythmus, Drehbuch und Regie: Ido Fluk, Kinostart in Frankreich: 25. Juni 2025
 

Note: 5/5 

https://laseptiemebobine.com/2025/06/02/au-rythme-de-vera-les-dessous-dun-concert-mythique/

„Ciné Télé & Co“ schreibt:

Im Rhythmus von Vera: 6 Geheimnisse der Dreharbeiten

1 – Die Entstehung

Als der New Yorker Regisseur Ido Fluk in einem Zeitschriftenartikel die Geschichte von Vera Brandes und dem Konzert in Köln entdeckte, sah er darin „die Gelegenheit, Musik auf eine andere Art und Weise zu erzählen. Ich wollte keinen Film über Jazz machen. Ich wollte einen Film machen, der Jazz verkörpert“. So möchte er die Geschichte des Köln Concerts durch Vera Brandes und nicht durch Keith Jarrett erzählen. „Die meisten Musikfilme konzentrieren sich auf die Künstler”, warnt der Regisseur. „Aber meiner Meinung nach sind die spannendsten Geschichten oft die der Menschen im Hintergrund.Au rythme de Veraist ein Film über eine Produzentin. Über die Frau, die im Hintergrund die Fäden zieht und Krisen bewältigt. Denn wenn sie das nicht tut, funktioniert die Magie nicht. Genau das hat mich gereizt. Ich wollte die Geschichte dieser Frau erzählen und durch sie über das künstlerische Schaffen und dessen Bedeutung sprechen.“

Ido Fluk kontaktierte daraufhin seinen Mentor und Produktionspartner Oren Moverman. Dieser stellte ihm Sol Bondy und Fred Burle von der Berliner Produktionsfirma One Two Films vor. Das Projekt war geboren.

 

2 – „Endlich!“

Das ist der Ausruf von Vera Brandes, als der Produzent Sol Bondy ihr das Filmprojekt vorstellt, in dem sie die Hauptrolle spielt: „Endlich!“

„Ich habe sofort gespürt, wie intensiv dieser Moment für sie war“, erinnert sich Sol Bondy. „Sie hat sich sofort geöffnet und seitdem nicht mehr aufgehört. Sie wurde zu unserer Stütze, unserer unerschütterlichen Verbündeten.“ Sehr schnell kam Vera Brandes mit dem Regisseur Ido Fluk in Kontakt. „Sie hatte jahrelang darauf gewartet, dass jemand ihre Geschichte erzählt“, erklärt er. „Schon bei unseren ersten Gesprächen wurde schnell klar, dass ihr Lebensweg einen großartigen Film abgeben würde. Ich wollte ihr gerecht werden und ihre entscheidende Rolle bei diesem historischen Konzert hervorheben. Das ist mir sehr wichtig. Wenn man vom Konzert am 24. Januar 1975 in der Kölner Oper spricht, wird Vera viel zu oft vergessen. Man hat den Eindruck, dass sie aus der Geschichte getilgt wurde. Wir haben uns daher diese Ungerechtigkeit zum Ausgangspunkt gemacht: die Geschichte zu korrigieren. Denn ohne Vera Brandes hätte dieses Konzert nie stattgefunden.“

Ido Fluk und Vera Brandes unterhalten sich acht Stunden lang über Skype, in denen sie jedes Detail der Ereignisse Anfang der 1970er Jahre preisgibt. Diese Gespräche dienen als Grundlage für das Drehbuch. „Es ist ihre Geschichte, ihre Sichtweise – ganz und gar“, fasst Fred Burle zusammen. Daher auch der Hinweis zu Beginn des Films: „KÖLN 75 – erzählt von Vera Brandes persönlich.“

 

3 – Eine höfliche, aber entschiedene Absage

Keith Jarrett und Manfred Eicher

Als die Produzenten Keith Jarretts Team kontaktierten, lehnte dieses eine Beteiligung an dem Film ab. „Die Antwort kam prompt“, berichtet Sol Bondy. Höflich, aber bestimmt: „Tut uns leid, aber nein, das geht nicht.“

„Ich hatte mehrere Anekdoten über Keith Jarrett gehört“, fährt Ido Fluk fort. „Und auch im Film spürt man, dass er nicht gerade der umgänglichste Mensch ist. Keith mag dieses Konzert nicht. Und ich bin, wenn Sie mich fragen, eher seiner Meinung. Aber ich denke, und hier gehen unsere Meinungen auseinander, dass es einen Grund gibt, warum gerade dieses Konzert die Populärkultur geprägt hat.“

ECM Records, Herausgeber und Inhaber der Rechte an der Aufnahme, lehnte ebenfalls ab. Ido Fluk drehte also einen Film über das Konzert in Köln, ohne die Musik verwenden zu dürfen.

Seltsamerweise hat uns das nicht entmutigt“, fährt Sol Bondy fort. „Im Gegenteil, es hat uns sogar in unserer Entscheidung bestärkt, Vera Brandes in den Mittelpunkt des Films zu stellen. Keith Jarrett ist eine wichtige Figur, aber die wahre Heldin ist Vera – was sie Anfang der 1970er Jahre bis zum Höhepunkt mit The Köln Concert erlebt hat. Sie war es, die uns von Anfang an dazu inspiriert hat, diesen Film zu machen.“

 

4 – Die unverzichtbare Besetzung für Vera

Mala Emde

Die Besetzung der Rolle der Vera Brandes ist entscheidend. „Wir brauchten eine unerschrockene junge Frau, die den Film tragen kann“, erklärt Ido Fluk. Ich kannte die junge deutsche Szene nicht gut, also habe ich mir alles angesehen, was Sol und Fred mir empfohlen haben. Wir haben unzählige Bewerbungen gesichtet. Aber um ehrlich zu sein, hatte ich sehr schnell das Gefühl, dass sie die Richtige ist. Sie strahlt eine außergewöhnliche Energie und Intensität aus. Wenn sie einen Raum betritt, spürt man sofort, wie sich die Atmosphäre verändert. Man spürt sofort, dass man es mit einem Star, einer Löwin zu tun hat. Ich habe ihr die Rolle nicht gegeben: Sie hat sie sich genommen.“

„Während des Castings habe ich immer wieder gesagt:Ich suche keine Schauspielerin, ich suche eine Partnerin.“, Jemanden, der diesen Film mit mir macht, nicht für mich. Wir haben uns lange unterhalten, und Mala war diese ideale Partnerin. Sie sah denselben Film wie ich. Unsere Zusammenarbeit war großartig. Wir haben gemeinsam an den Szenen und am Drehbuch gearbeitet, und sie war immer dabei. Ich habe ihr gesagt: „Das ist nicht mein Film, es ist deiner. Du bist Vera. Du hast die Zügel in der Hand.“

 

5 – Die Kulisse von 1975 nachbauen

Łódź, Polen

Das Schwierigste ist, einen Drehort zu finden, der die Kölner Oper repräsentieren kann, wo wichtige Szenen spielen. Die echte Kölner Oper steht nicht zur Verfügung, da das Gebäude seit Jahren renoviert wird. Da die meisten historischen Opernhäuser unter Denkmalschutz stehen, haben sich die Kulissen in fünfzig Jahren kaum verändert. Es ist also nicht die Bühne selbst, die unauffindbar ist, sondern die Kulissen. „Jede Tür, jedes Fenster, jedes Kabel … nichts sah aus wie in den 1970er Jahren“, erinnert sich Sol Bondy. Und für Ido war es unerlässlich, die Kamera uneingeschränkt im gesamten Opernraum bewegen zu können: von den Kulissen zur Bühne und umgekehrt. Die Einheit von Zeit und Ort sollte die Spannung steigern, je näher das Konzert rückte.“

Das Team suchte weiter nach Drehorten und prüfte alle Optionen, bis hin zum Bau einer Kulisse in den deutschen Babelsberg-Studios. Ohne Erfolg. Die Produktion weitete ihre Suche dann ins Ausland aus und entschied sich für ein historisches Theater in Łódź, Polen. „Wir hatten vereinbart, zwei Wochen vor Ort proben zu können und dann zwei Wochen lang zu drehen“, erzählt Sol Burle. „Leider lief nichts wie geplant. Die Situation erinnerte seltsamerweise an die Geschichte des Films: Wir mussten ständig improvisieren.“ Jeden Tag mussten die Möglichkeiten neu bewertet werden: Drehen auf der Bühne, auf der Treppe oder hinter den Kulissen. „Es war eine ständige Herausforderung. Jeden Tag mussten wir einen neuen Drehplan aufstellen. Das war anstrengend, aber auch sehr inspirierend. Diese Einschränkungen haben uns als Team sehr zusammengeschweißt.“

 

6 – Das legendäre Konzert

John Magaro

Am 24. Januar 1975 improvisierte Keith Jarrett in der Kölner Oper ein Jazzkonzert. Er spielte auf einem Flügel, einem defekten Bösendorfer Quartflügel, anstatt auf dem Bösendorfer Imperial 290, den Manfred Eicher für ihn bestellt hatte. Die Mängel des Instruments zwangen den Musiker, seine Improvisation komplett zu überdenken.

„Keith Jarrett spielte an diesem Abend wie an keinem anderen Abend seines Lebens, weil er gegen das Klavier spielte“, sagt Ido Fluk. „Er musste sich auf die mittleren Register beschränken, weil die hohen und tiefen Töne defekt waren. Im Zentrum vonAu rythme de Vera steht eine Wahrheit, die für alle Kunstwerke der Menschheitsgeschichte gilt: Es sind die Hindernisse, Blockaden und Zwänge, die das Werk prägen. Und der Künstler muss sich ihnen stellen, um etwas Großes zu schaffen.“

https://www.cineteleandco.fr/au-rythme-de-vera-6-secrets-de-tournage/

Köln 75 Spieltermine

35. International Film Festival Emden Norderney
 
13.06.25 | 16:45 Uhr| CineStar 1, Emden
15.06.25 | 18:30 Uhr| Hist. Kurtheater, Norderney
15.06.25 | 20:30 Uhr| CineStar 6, Emden
18.06.25 | 18:40 Uhr| CineStar 6, Emden
 

 

11.04. Fr Istanbul Turkey
International Film Festival Opening 21:30 Uhr  

16.03. So Köln
Eine Stadt schaut einen Film
Weißhaus  16:00 Uhr 

16.03. So. Köln
Eine Stadt schaut einen Film
Odeon 14:30 Uhr

15.03. Sa Köln
Eine Stadt schaut einen Film
Cinenova 19:00 Uhr

14.03. Fr. Köln
Eine Stadt schaut einen Film
Filmpalette 19:00 Uhr

14.03. Fr Köln
Eine Stadt schaut einen Film
Rex ca. 17:30 Uhr

13.03. Do Berlin
Special Screening
Kant 20:00 Uhr

12.03. Mi Hamburg
Kinotour
Abaton 19:30 Uhr

11.03. Di Zürich
CH-Premiere
Frame Kino 20:15 Uhr

11.03. Di Leipzig
Kinotour
Passage 20:15 Uhr

10.03. Mo München
Premiere
City 19:30 Uhr

09.03. So Wien
AT-Premiere
Filmcasino

08.03. Sa Frankfurt
Kinotour
Cinéma 18:00 Uhr, Kino 1

07.03. Fr Düsseldorf
Kinotour
Cinema 20:30 Uhr

07.03. Fr Bonn
Kinotour
Rex 17:30 Uhr

06.03. Do Köln Premiere
Cinenova
Kino1 19:30 mit Q&A,
Kino2 20:00 ohne Q&A

23.2. So Berlin
Uber Eats Music Hall 10:00 Uhr

21.2. Fr Berlin
Haus der Berliner Festspiele 15:15 Uhr

18.2. Di Berlin
Berlin Colosseum 1, 21:30 Uhr

18.2. Di Berlin
Odeon 20:00 Uhr Berlinale Goes Kiez

17.2. Mo Berlin
Akademie der Künste (AdK) 16:00 Uhr

16.2. So Berlin PREMIERE SPECIAL GALA BERLINALE
Haus der Berliner Festspiele 14:00 Ihr

Köln 75 – Berlinale Special Gala

Interview-Anfragen bitte an management@verabrandes.com richten.